Der KI-Hype – und die unbequeme Wahrheit
Kaum ein Buzzword beherrscht die Unternehmenswelt derzeit so stark wie künstliche Intelligenz. Sie gilt als Versprechen für Effizienz, Innovation, Wachstum. Doch allzu oft bleibt es bei Versprechungen. Zwischen dem strategischen Wunsch und der operativen Realität klafft eine Lücke. Viele Firmen starten Pilotprojekte, kaufen Tools ein, lassen Proof-of-Concepts erstellen – aber selten folgt der Durchbruch.
Warum? Weil KI nicht auf Knopfdruck funktioniert. Weil es nicht genügt, ein Tool zu kaufen und zu erwarten, dass sich der Rest von selbst löst. Weil echte Wirkung immer dann entsteht, wenn Technologie auf vorbereiteten Boden trifft – auf klare Prozesse, saubere Daten und ein Unternehmen, das bereit ist, sich zu verändern.
Technologie ist kein Ersatz für Haltung
Was oft vergessen geht: KI ist nicht die Lösung für ineffiziente Strukturen. Wer auf Basis schlechter Daten, unklarer Verantwortlichkeiten oder veralteter Prozesse KI einsetzen will, verstärkt nur das Chaos. Automatisiert werden dann nicht Lösungen – sondern Probleme.
Deshalb lautet die zentrale Frage nicht: 'Welche KI passt zu uns?' Sondern: 'Sind wir bereit für die Veränderung, die KI mit sich bringt?'
Die harte Wahrheit: KI braucht Drecksarbeit
Wer KI ernsthaft integrieren will, muss investieren – nicht nur in Tools, sondern vor allem in Grundlagenarbeit:
- Datenqualität sicherstellen (vollständig, strukturiert, aktuell)
- Prozesse analysieren, dokumentieren, verbessern
- Wissen zentralisieren (z. B. über einheitliche Knowledge Bases)
- IT-Infrastruktur und Governance auf Stand bringen
Diese Arbeit ist nicht sexy. Sie lässt sich schlecht verkaufen. Aber sie ist die Voraussetzung für jede KI-Wirkung. Denn ein Bot, der auf unvollständige Service-Tickets zugreift, liefert keine echten Mehrwerte – sondern Frustration.
Change Management: der blinde Fleck vieler KI-Projekte
Die wohl am meisten unterschätzte Komponente jeder KI-Transformation ist der Mensch. Neue Technologien verändern Rollen, Abläufe, Erwartungen. Wer damit überfordert wird, blockiert – bewusst oder unbewusst – die Veränderung.
Deshalb braucht es Change Management, das früh einsetzt und alle Beteiligten einbindet. Wer versteht, welchen Nutzen KI bringt und wie sich die eigene Arbeit dadurch verändert, geht den Weg mit – statt dagegen.
In der Praxis sehen wir: Die erfolgreichsten KI-Projekte starten nicht in der IT, sondern im Dialog – mit Vertrieb, Service, Operations. Dort, wo echte Probleme gelöst werden können.
Use Cases mit Substanz – statt Leuchtturmprojekte ohne Wirkung
Viele Firmen suchen nach spektakulären KI-Cases, die medienwirksam funktionieren. Doch der ROI liegt oft in ganz anderen Bereichen: im Kundenservice, bei der Vertriebsunterstützung, in der Automatisierung interner Prozesse.
Ein Beispiel: Ein AI-gestützter Bot, der auf gut strukturierte Ticketdaten zugreift, kann Serviceanfragen nicht nur schneller, sondern kontextbezogen und qualitativ hochwertig beantworten. Voraussetzung: Die Datenbasis stimmt – und das System wurde gemeinsam mit den Service-Mitarbeitenden trainiert.
Ein anderes Beispiel: KI in der Auftragsabwicklung erkennt frühzeitig Lücken oder Widersprüche im Leistungskatalog. So werden Fehler vermieden, die erst Monate später zu Kundenreklamationen führen würden.
Was diese Beispiele zeigen: KI entfaltet Wirkung, wenn sie konkret, integriert und teamnah gedacht wird.
Was Unternehmen jetzt tun sollten – bevor es zu spät ist
Wer Künstliche Intelligenz integrieren will, sollte nicht mit Tools starten – sondern mit einem schonungslos realistischen Blick auf die eigene Organisation.
· Wo bestehen strukturelle Engpässe?
· Welche Datenbasis ist vorhanden – und was fehlt?
· Welche Prozesse sind durch manuelle Aufwände oder Fehleranfälligkeit belastet?
· Wo entstehen heute schon Missverständnisse oder Ineffizienzen?
Die Antworten auf diese Fragen sind der Schlüssel für tragfähige, geschäftsrelevante KI-Use Cases. Wichtig dabei: iterativ vorgehen – klein starten, lernen, skalieren. Und von Beginn an alle relevanten Rollen einbinden – Fachbereiche, IT, Compliance, Sicherheit.
Doch wer an dieser Stelle stehen bleibt, riskiert mehr als nur ineffiziente Piloten. Denn echte Wirkung entsteht nicht durch punktuelle Projekte, sondern durch langfristige Verankerung. KI braucht klare Verantwortlichkeiten, kontinuierliches Lernen, gelebte Fehlerkultur und geteiltes Wissen.
Wenn diese Grundlagen fehlen, verschwindet KI aus dem Unternehmen – und mit ihr vielleicht bald das Unternehmen selbst.
Was zählt, ist ein durchdachter Plan für den Dauerbetrieb. Nur so wird KI Teil der Unternehmens-DNA – und nicht bloss ein Strohfeuer, das kurz aufflackert und schnell wieder verlischt.
Fazit: KI ist kein Zauberstab – sondern ein Spiegel
Künstliche Intelligenz verstärkt, was vorhanden ist: gute Strukturen, saubere Prozesse, engagierte Teams – oder eben das Gegenteil.
Deshalb sollten Unternehmen KI nicht als Lösung für bestehende Probleme sehen, sondern als Katalysator für Transformation.
Wer bereit ist, sich zu verändern, profitiert mehrfach: durch effizientere Abläufe, bessere Kundenerlebnisse, motiviertere Mitarbeitende – und eine Organisation, die wirklich digital denkt. Nicht nur in Tools. Sondern in Haltung.